Elisabeth Scharfenberg, Mitglied im Deutschen Bundestag

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Vereinbarkeit von Pflege und Beruf - Abhilfe nicht in Sicht

Zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Stand der Umsetzung des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf“, Drs. 18/7160.

22.01.2016

Nachdem die Antworten auf meine erste Kleine Anfrage (BT-Drs. 18/5880) sehr dürftig ausfielen, habe ich nun eine zweite gestellt. Dieses Mal waren aussagekräftigere Zahlen zu erwarten, schließlich hat im September der Beirat zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf seine Arbeit aufgenommen hat. Er soll die Umsetzung der Regelungen begleiten und über deren Auswirkungen beraten. Doch Fehlanzeige. Es gibt weiterhin nur Zahlen darüber, wie viele Darlehen beantragt wurden, und das sind sehr wenige.

Zwar behauptet die Bundesregierung, dass weit mehr Menschen die Pflegezeiten in Anspruch genommen haben – ohne Darlehen. Eine solche Behauptung ist freilich schwer zu belegen, wenn keine Daten erhoben werden.

Jüngst hat eine Studie des Zentrums für Qualität (ZQP) in der Pflege einige Hinweise darauf gegeben, warum pflegende Angehörige die Freistellung so wenig in Anspruch nehmen: Häufig sind die Regelungen gar nicht bekannt. Wenn sie bekannt sind, schrecken die finanziellen und organisatorischen Nachteile viele ab. Die Darlehensregelung mindert das Einkommen während der Phase der Pflege und anschließend während der Phase der Rückzahlung. Leisten können sich das nur die Besserverdienenden. Für diejenigen, deren pflegebedürftige Angehörige rund um die Uhr betreut werden müssen, oder die weiter entfernt wohnen, ist eine Arbeitszeitreduzierung nicht das passende Instrument. Man kann nicht vormittags vier Stunden arbeiten, dann 400 Kilometer fahren, um nachmittags seine Mutter zu pflegen. Dazu kommt, dass die Pflegezeit auf maximal zwei Jahre begrenzt ist. Pflege kann aber deutlich länger dauern. Was passiert nach diesen zwei Jahren? Auch die Angst vor negativen Konsequenzen am Arbeitsplatz wird als Grund für eine Nichtinanspruchnahme genannt.

Der Erfolg des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf lässt also weiter auf sich warten. Die Inanspruchnahme bleibt weit hinter den prognostizierten Zahlen zurück. Das liegt vor allem daran, dass die Angebote den Bedarf der Betroffenen nicht treffen, und dass Pflegezeit und Familienpflegezeit mit finanziellen Einbußen einhergehen. Auch Darlehen, die man zurückzahlen muss, sind keine wirkliche Hilfe für Menschen, die sich um Alte und Pflegebedürftige kümmern wollen.

Wer sich, wie die Familienministerin, das Thema Vereinbarkeit auf die Fahne geschrieben hat, sollte auch wissen, ob die Regelungen dafür greifen, ob sie den Menschen überhaupt nutzen. Dazu ist es wichtig, Daten über die Inanspruchnahme zu erheben und die Gründe für eine mögliche Nichtinanspruchnahme zu eruieren. Offensichtlich hat Frau Schwesig wenig Interesse daran, die Anreize zu verbessern: Die Wirkungen des Gesetzes sollen zwar untersucht werden, um gegebenenfalls Daten zur Inanspruchnahme zu erhalten. Aber das bleibt alles sehr im Vagen. Konkreter wird es beim Pflegeunterstützungsgeld, dazu soll es bald detailliertere Informationen zur Inanspruchnahme geben. Das Pflegeunterstützungsgeld lässt sich auch besser vermarkten, da es durch die Lohnersatzleistung eine echte Anerkennung für die Übernahme von Verantwortung leistet. Es ist allerdings auf einmalig 10 Tage begrenzt und bietet somit nicht ausreichend Zeit, in Ruhe eine gute Pflege zu organisieren.

Kleine Anfrage "Stand der Umsetzung des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf" Drs. 18/7160

Tags: Pressearchiv, Alter und Pflege, Pflegende Angehörige
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