Elisabeth Scharfenberg, Mitglied im Deutschen Bundestag

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Pflegereform: Die Neuausrichtungs-Lüge

Das Bundeskabinett hat das Pflege-Neuausrichtungsgesetz beschlossen. Nach Neuem und nach einer Ausrichtung sucht man aber vergeblich. Die Reformen des Pflegebegriffs und der Finanzierung werden weiter vertagt. Die Verbesserungen für die Pflegebedürftigen sind unzureichend und konzeptlos. Und den Pflegekräften droht Lohndrückerei, während man für die Ärzte und die Versicherungsindustrie nette Bonbons bereithält.

31.03.2012

Das Neuausrichtungsgesetz als „Reförmchen“ zu bezeichnen, ist noch ein Euphemismus. Es, wie Gesundheitsminister Daniel Bahr, gar einen „Meilenstein“ zu nennen, grenzt an Realitätsverlust. Dabei verhehlen wir nicht, dass es Leistungsverbesserungen etwa für Menschen mit Demenz geben soll. Auch ambulante Wohngruppen sollen mehr gefördert werden als heute. Doch diese Verbesserungen sind völlig unzureichend, total konzeptlos, zum Teil zeitlich begrenzt und trotz ihrer Geringfügigkeit nicht dauerhaft gegenfinanziert.

Schwarz-Gelb hat die zwei wesentlichen Hausaufgaben nicht gemacht. Weder hat sie eine nachhaltige und solide Reform der Finanzierung hinbekommen, noch sind sie der Einführung eines neuen Pflegebegriffs auch nur einen Schritt näher gekommen. Das ist das Ergebnis des „Jahres der Pflege 2011“ und der vielen, vielen großen Sprüche dieser Bundesregierung.

Rumgeizen bei pflegenden Angehörigen

Was hat Schwarz-Gelb nicht alles für pflegende Angehörige tun wollen. Tatsächlich wurde aber selbst am Geringsten noch herumgekürzt. So sollen künftig bei der medizinischen Reha und Vorsorge die Belange pflegender Angehöriger besonders berücksichtigt werden. Das ist richtig. Ursprünglich sollte das auch für die Reha-Leistungen im Bereich der Gesetzlichen Rentenversicherung gelten. Diese mickrigen Beträge sind aber auf Geheiß von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen wieder komplett gestrichen worden. Sie, die als Familien- und Seniorenministerin noch die Kämpferin für eine würdevolle Pflege gab, knausert also herum, wenn es drauf ankommt.

Lohndrückerei als Mittel gegen den Fachkräftemangel

Auch für die Pflegekräfte tut die Bundesregierung nichts. Im Gegenteil, sie droht ihnen mit Lohndrückerei. Künftig soll für die Zulassung einer Pflegeeinrichtung nicht mehr die Zahlung einer „ortsüblichen Vergütung“, sondern der Pflege-Mindestlohn ausreichend sein. Das ist ein heftiger Schlag ins Gesicht aller Pflegekräfte! Wir Grüne sind natürlich für den Pflege-Mindestlohn. Er darf aber nur eine absolute Lohnuntergrenze sein und darf nicht zum Normlohn werden. Offenbar setzt Schwarz-Gelb auf „Billigpflege“. Das aber kann und darf angesichts des zunehmenden Personalmangels und der hohen Anforderungen in der Pflege nicht die Antwort sein!

Bonbons für die Ärzteschaft und die Versicherungsindustrie

Tut Schwarz-Gelb schon für die Pflege nichts, dann umso mehr für die Klientelpflege. So darf sich die Ärzteschaft auf eine höhere Vergütung für die Versorgung in stationären Pflegeeinrichtungen freuen. Womöglich ist das sogar notwendig. Es kann aber nicht sein, dass für die Ärzte das Zuckerbrot ganz locker sitzt, während die Pflegekräfte die Peitsche kriegen!

In Planung befindet sich außerdem noch die Förderung freiwilliger Pflegezusatzversicherungen – besser bekannt als „Pflege-Bahr“ oder „Mini-Bahr“ (mehr hier). 100 bis 200 Millionen Euro will Bundesfinanzminister Schäuble dafür locker machen, dass solche Versicherungen steuerlich geltend gemacht werden können. Menschen, die wenig verdienen und/oder keine Steuern zahlen, haben davon gar nichts. Doch gerade sie bedürfen besonders einer besseren Absicherung. Profitieren werden nur Gutverdiener und die private Versicherungsindustrie, die mit staatlicher Unterstützung ihre Produkte an die Leute bringen können. Das ist unsolidarisch und ungerecht.

Fazit

Schwarz-Gelb muss diese Reform begraben. Wir brauchen eine tatsächliche Neuausrichtung. Deswegen fordern wir die schnellstmögliche Einführung eines neuen teilhabeorientierten Pflegebegriffs. Die Begutachtung muss sich an den vom Wissenschafts-Beirat aufgestellten Bedarfsstufen orientieren und ist mit Leistungskomplexen zu hinterlegen. Nur so werden wir eine nachhaltige Reform hinbekommen, die auch Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz, etwa Demenz-Erkrankte, besser berücksichtigt. Zur soliden und gerechten Finanzierung einer besseren Pflege wollen wir die solidarische Pflege-Bürgerversicherung einführen. Nur so können wir allen Menschen, ob reich oder arm, eine gute Absicherung im Pflegefall ermöglichen. Dazu hat die grüne Bundestagsfraktion am 27. März einen Beschluss mit dem Titel „SOLIDARITÄT WIRKT! - DIE GRÜNE PFLEGE-BÜRGERVERSICHERUNG“ beschlossen (siehe unter: http://www.gruene-bundestag.de/cms/beschluesse/dokbin/406/406994.pflegebuergerversicherung.pdf)

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