Elisabeth Scharfenberg, Mitglied im Deutschen Bundestag

Mitglied im Deutschen Bundestag

Leserbrief: "Unionspolitiker attackieren Merkel" - "CSU-Mittelständler kritisieren Regierung"

Artikel vom 18. Juli 2011 in der Frankenpost

19.07.2011

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie in den o.g. Artikeln berichtet wurde, äußerte Hans Michelbach MdB vergangenen Samstag bei einer Tagung der CSU-Mittelstandsunion deutliche Kritik am Kurs der schwarz-gelben Regierung. Unter anderem brachte Herr Michelbach seinen Unmut über die beschlossene Energiewende, die nach wie vor viele Fragen offen ließe, zum Ausdruck. Seines Erachtens dürfe man „nicht zulassen, dass grundlegende Entscheidungen für die Zukunft unseres Landes ohne breite gesellschaftspolitische Diskussion getroffen werden“.

Es sollte nicht überraschen, dass wir Grüne diese Auffassung nicht teilen. Wir haben – trotz einiger Kritik im Detail – dem Atomausstieg zugestimmt. Anders als Herr Michelbach meint, ist dem sehr wohl eine sehr breite gesellschaftspolitische Diskussion in Deutschland voraus gegangen. Eine überragende Mehrheit der deutschen Bevölkerung war schon unter der rot-grünen Bundesregierung für den Ausstieg. Eine ebensolche Mehrheit hat die Verlängerung der AKW-Laufzeiten durch Schwarz-Gelb im vergangenen Herbst vehement abgelehnt.

Im Gegensatz zu CDU/CDU und FDP haben die Grünen zudem die – in den eigenen Reihen durchaus umstrittene – Frage der Zustimmung zum schwarz-gelben Ausstiegsgesetz offen und kontrovers auf einem Sonder-Parteitag diskutiert. Eine große Mehrheit der Partei war für die Zustimmung. Tatsächlich haben die Regierungsfraktionen eine solche parteiinterne Debatte weitgehend vermieden. Ich kann mich allerdings auch nicht erinnern, dass Herr Michelbach sie vor der Abstimmung im Bundestag lautstark eingefordert hätte.

Die CSU tut nun, wie sie es seit 2005 tut, mal wieder so, als hätte sie mit den Berliner Beschlüssen nichts am Hut. Wenn aber Herr Michelbach der Auffassung ist, dass das Gesetz nicht auf diese Art und Weise und in diesem kurzem Zeitraum hätte verabschiedet werden dürfen, warum hat dann bei der Abstimmung im Bundestag am 30. Juni mit „Ja“ gestimmt?

Da es sich um eine namentliche Abstimmung handelte, kann jedeR Interessierte das Abstimmungsverhalten aller Abgeordneten nachlesen. Von 44 CSU Abgeordneten votierte lediglich Franz Obermeier mit „Nein“. Vier weitere blieben der Abstimmung fern. Alle anderen CSU-Abgeordneten, darunter Herr Michelbach, stimmten mit Ja. Ein überraschendes Bild, wenn man die laute Kritik, die die CSU in Bayern am Regierungskurs übt, in Betracht zieht.

Auch mit der wirtschaftspolitischen Linie der Regierung zeigt sich Herr Michelbach nicht einverstanden. In den vergangenen zwei Jahren seien „zahlreiche Entscheidungen“ auf Bundesebene getroffen worden, die mit dem „Markenkern“ der Union nicht vereinbar seien. Mehr Wettbewerb und Freiheit seien vonnöten. Wir Grüne sind der Auffassung, dass Wettbewerb und wirtschaftliche Freiheit zwar gut sind, aber auch nur solange sie nicht auf dem Rücken von ArbeitnehmerInnen und insbesondere von GeringverdienerInnen realisiert werden. Dazu hört man von Herrn Michelbach nichts. Ganz davon abgesehen darf man sich allerdings auch an dieser Stelle wundern, weswegen die zahlreichen wirtschaftspolitischen Entscheidungen der vergangenen zwei Jahre auf Bundesebene von der CSU mitgetragen worden sind, wenn sie in Bayern nun so scharf kritisiert werden.

Herr Michelbach hat Recht. Diese Koalition ist ein einziges Desaster für dieses Land. Das kann Herr Michelbach verändern helfen, indem er vernünftige Politik macht und indem er Gesetzen, die er schlecht findet, nicht zustimmt. Aber zuerst allem zustimmen und dann hinterher Stimmung machen – das ist unglaubwürdig, verantwortungslos und feige.

Mit freundlichen Grüßen

Elisabeth Scharfenberg

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