Elisabeth Scharfenberg, Mitglied im Deutschen Bundestag

Mitglied im Deutschen Bundestag

Sie sitzen zwischen zwei Feuern - alt werden in der Fremde

Elisabeth Scharfenberg, MdB diskutierte beim türkischen Verein DITIB Fragen zur kultursensiblen Altenhilfe

03.05.2010

Viele Hofer Bürgerinnen und Bürger mit türkischem Migrationshintergrund sind inzwischen im Rentenalter oder kurz davor. Zur Zeit gibt es wenige Angebote, die den kulturellen Hintergrund für das Leben im Alter und bei Pflegebedürftigkeit daheim oder in einer Pflegeeinrichtung berücksichtigen. Über den Bedarf und die Wünsche der türkischen Familien diskutierte Elisabeth Scharfenberg, MdB und Sprecherin für Alten- und Pflegepolitik, vor mehr als 100 türkischen und deutschen Zuhörern mit Fachleuten und Betroffenen.

Mit einem klaren Nein beantworten türkische Seniorinnen die Frage: „Ist das Wohnen in einem Altenheim für Sie denkbar?“. Und eine ältere Türkin ergänzt: „Bis wir uns dort eingewöhnt haben sind wir längst verstorben.“

Das Thema Leben im Alter oder im Pflegefall kommt in den Lebensentwürfen der ehemaligen Gastarbeiter nicht vor, da diese immer auf Rückkehr aufgebaut waren. Nun leben Kinder und Enkelkinder in Deutschland und so bleiben die türkischen Mitbürger auch im Seniorenalter hier. Welche Bedürfnisse und welche Angebote es an professioneller Unterstützung für ältere Migranten in Hof gibt, dieser Frage gingen am Freitagabend Elisabeth Scharfenberg, MdB und Dr. Fazil Kücüköztürk, Allgemeinmediziner aus Hof mit ihren Gästen nach.

Dass die Sprache nach wie vor eine der großen Barrieren darstellt, wurde gleich zu Beginn der Veranstaltung deutlich, denn ohne Dolmetscher ging nichts im türkischen Kulturzentrum DITIB. Wie gut, dass die Videobotschaften, die Elisabeth Scharfenberg von Cem Özdemir und Mehmed Kilic, MdB und grüner Sprecher für Integration und Migration, mitbrachte, auf Türkisch waren.

Hasen Cil, Soziologe aus Nürnberg erläuterte eindringlich die Situation der Gastarbeiter. „Im Alter sitzen sie zwischen zwei Feuern, da wird zwischen dem Heimatland und Deutschland gependelt, solange man den Koffer tragen kann“. Was aber tun, wenn das nicht mehr geht? Im Fall der Pflegebedürftigkeit müssen auch Gastarbeiter in unserem Sozialsystem angemessene Unterstützung finden. Damit appellierte Herr Cil an die örtlichen Pflegedienste sich den Bedürfnissen der türkischen Bevölkerung zu öffnen. Wie das finanziell und rechtlich bereits heute möglich ist erläuterte Herr Leßmann von der AOK Hof. In seinem kurzen Vortrag zu den Leistungen der Pflegeversicherung zeigte er Wege im ambulanten und stationären Bereich auf und ging auch auf Angebote, wie Kurzzeitpflege und Umbauten zu barrierefreiem Wohnen ein. Selbstverständlich stehen diese Leistungen auch den ehemaligen Gastarbeitern zu, schließlich haben auch sie Leistungen in die Versicherung einbezahlt, so Leßmann.

Hülya Wunderlich vom Sozialdienst EJSA und Dr. Kücüköztürk bestätigten mit Fallbeispielen aus ihrer täglichen Arbeit in Hof die Beiträge ihrer Vorredner. Dabei lobte Hülya Wunderlich ausdrücklich die Bemühungen der Stadt Hof, die bereits im Jahre 2004 einen Leitfaden für türkische und deutsche Senioren in Hof veröffentlichte. „Es tut sich schon was bei uns, aber eben langsam“, so Wunderlich. Dr. Kücüköztürk kommt als Allgemeinmediziner direkt in die Familien und weiß so sehr gut, dass der Bedarf an Betreuung und Pflege stetig wächst. Noch könnten die Familien die Situation schultern, so Kücüköztürk, doch dies ändere sich zunehmend. Auf was es bei der kultursensiblen Pflege ankommt machte Frau Irma Noack, Pflegedienstleitung im einzigen türkischen Altenheim „Türk Bakim Evi“ aus Berlin deutlich: „Wir haben nicht nur zweisprachige Beschilderung im ganzen Haus, bei uns werden Bairam und Ramadan gefeiert und nicht Weihnachten und Ostern“. Auch bei der Pflege müsse man umdenken, hier gilt es mit viel Sensibilität die Bedürfnisse der Bewohner zu achten „natürlich kochen wir halal“, so Noack. Halal sind alle Dinge und Handlungen, die aus islamischer Sicht gestattet, zulässig und islam-konform sind.

Am Ende zeigten sich alle Diskussionsteilnehmer offen und dankbar, dass Elisabeth Scharfenberg zusammen mit den türkischen Kulturvereinen ein wichtiges Thema aufgegriffen hat, dass in den kommenden Jahren noch viel dringender werden wird. Wichtig sei es bereits jetzt Angebote anzustoßen und Strukturen zu schaffen. „Dieser Abend war für mich ein Auftakt, dem weitere Veranstaltungen und Gesprächsrunden folgen werden. Die offene Zusammenarbeit ist ein guter Nährboden, um den Bedürfnissen der Hofer Migrantinnen und Migranten gerecht zu werden“ so Scharfenberg.

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