Elisabeth Scharfenberg, Mitglied im Deutschen Bundestag

Mitglied im Deutschen Bundestag

Organspende: Beschluss des Bayerischen Ärztetages führt auf den Holzweg

Zur Forderung der Bayerischen Landesärztekammer nach Einführung der Widerspruchslösung bei der Organspende

13.10.2009

Zur Forderung der Bayerischen Landesärztekammer nach Einführung der Widerspruchslösung bei der Organspende erklärt Elisabeth Scharfenberg MdB, Mitglied des Ausschusses für Gesundheit:

Die Forderung des Bayerischen Ärztetages nach der Widerspruchslösung ist enttäuschend und führt in die Irre. Nach Ansicht des Ärztetages sollen jene, die einer Organspende nicht ausdrücklich widersprechen, automatisch als Spender gelten.

Zweifellos muss gehandelt werden, um die Wartezeiten der vielen Menschen zu verringern, die dringend ein Spenderorgan brauchen. Doch unüberlegte Vorschläge helfen hier nicht weiter. Die Widerspruchslösung ist und bleibt der falsche Weg. Wir plädieren nachdrücklich für die Beibehaltung der erweiterten Zustimmungslösung, nach der die Spenderin/ der Spender bzw. die Angehörigen einer Organspende ausdrücklich zustimmen müssen. Für uns steht das Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger – auch über das Lebensende hinaus – an erster Stelle.

Gerade die Ärzteschaft sollte doch wissen, dass die Widerspruchslösung eben nicht automatisch zu mehr Organspenden führt. Das zeigen auch internationale Vergleiche. So weist beispielsweise Irland mit einer Zustimmungslösung mehr Organspenden auf als Ungarn, wo die Widerspruchslösung gilt. Selbst in Spanien, wo man die weltweit höchsten Spenderzahlen erreicht, führen spanische Experten dies nicht auf die Widerspruchslösung zurück. Sie betonen, dass dies vor allem auf einer sehr guten Koordinationsarbeit und auf einer finanziell guten Ausstattung des Systems beruht.

Bevor man ethisch heikle Forderungen erhebt, sollte man sich der strukturellen Handlungsspielräume bewusst werden, die die geltende Zustimmungslösung offensichtlich bietet. Wie sonst ist es zu erklären, dass zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2008 die Spenderzahlen um beinahe 15 Prozent gestiegen sind – und das ohne Widerspruchslösung? So sind in NRW Kliniken mit Intensivbetten seit 2008 verpflichtet, einen Transplantationsbeauftragten bereitzustellen. Auch in Mecklenburg-Vorpommern hat man in den letzten Jahren – vom Rückgang in 2008 abgesehen – durch professionelle Strukturen, eine gute Koordination und Kooperation aller Akteure viel erreicht. Zum Teil wurden hier internationale Spitzenwerte bei den Organspenden erzielt.

Die Optimierung der bestehenden Strukturen ist die vordringlichste Aufgabe. So nutzt die Widerspruchslösung auch nichts, wenn die Klinik vor Ort eine/n potenzielle/n Organspender/in nicht an die Koordinierungsstelle meldet. Hier besteht Handlungsbedarf, etwa in Form einer Konkretisierung der Meldepflicht im Transplantationsgesetz, in Form von mehr qualifizierten Transplantationskoordinatoren und durch die Förderung der Zusammenarbeit aller Akteure.

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