Elisabeth Scharfenberg, Mitglied im Deutschen Bundestag

Mitglied im Deutschen Bundestag

Es gibt auch andere Krisen: Endlich aktiv werden gegen psychische Erkrankungen

Anlässlich des Welttages der Seelischen Gesundheit am 10. Oktober 2009

10.10.2009

Anlässlich des Welttages der Seelischen Gesundheit am 10. Oktober 2009 erklärt Elisabeth Scharfenberg, Mitglied des Gesundheitsausschusses:

Alle reden von der Krise. Die seelischen Krisen von immer mehr Menschen aber ignorieren wir hartnäckig. Sie bleiben ein schambesetztes Tabu – trotz der stetigen Zunahme psychischer Erkrankungen. Der Vergleich zur Wirtschaftskrise ist nicht zufällig gewählt: Zukunftsängste, Arbeitslosigkeit, finanzielle Probleme dürften die Zahl psychischer Erkrankungen weiter ansteigen lassen. Die Versorgung psychisch kranker Menschen muss also dringend verbessert werden. Unser Optimismus jedoch, dies könnte auf der gesundheitspolitischen Agenda einer schwarz-gelben Koalition ganz oben stehen, ist sehr überschaubar.

Dabei sprechen die Tatsachen eine deutliche Sprache: Psychische Erkrankungen bilden nach Herzkreislauf- und Magen-Darm-Erkrankungen den drittgrößten Ausgabenblock im deutschen Gesundheitswesen. Über 30% der 18- bis 65-Jährigen leiden an einer oder mehreren psychischen Störungen. Über 20% aller Kinder und Jugendlichen zeigen psychische Auffälligkeiten, wie Ängste, Depressionen und Störungen des Sozialverhaltens. Über 10% der Krankheitstage von Berufstätigen sind Folge psychischer Erkrankungen, was einer Verfünffachung seit 1976 entspricht.

Diese Fakten sind in der Versorgungswirklichkeit noch längst nicht angekommen. So müssen Betroffene oft monatelang auf eine psychotherapeutische Behandlung warten, weil die flächendeckende Versorgung vielerorts nicht gesichert ist. Die Verordnungen von Psychopharmaka nehmen immens zu. Die Medikalisierung und Ruhigstellung der Betroffenen kann aber nicht die Lösung sein. Und noch immer warten wir vergeblich auf ein Präventionsgesetz, das CDU/CSU seit Jahren blockieren. In einem Präventionsgesetz muss auch die Förderung und Erhaltung der psychischen Gesundheit eine zentrale Rolle spielen. Prävention muss dabei eng an die Lebenswelten der Menschen gekoppelt sein, das heißt an die Schule, den Stadtteil, den Arbeitsplatz etc.

Wir alle müssen umdenken: Gesunde wie kranke Menschen müssen in ihren sozialen, körperlichen und seelischen Bedürfnissen wahrgenommen werden. Wir müssen psychisch Kranke in unsere Gesellschaft integrieren, anstatt sie als „Irre“ zu stigmatisieren und auszuschließen. Die Teilhabe der Betroffenen am gesellschaftlichen Leben muss ermöglicht werden. Dazu sind Information und Aufklärung der gesamten Bevölkerung notwendig. Nötig ist zudem die gezielte Qualifikation, bspw. von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal oder auch Lehrerinnen und Lehrern.

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