Elisabeth Scharfenberg, Mitglied im Deutschen Bundestag

Mitglied im Deutschen Bundestag

Chance vertan - Koalition lässt ältere Menschen beim Betreuten Wohnen im Regen stehen

Grüne sagen JA zu alternativen Wohnformen - Grüne sagen JA zu Verbraucherschutz!

18.03.2009

Das Betreute Wohnen ist derzeit die am häufigsten gewählte "alternative" Wohnform, wenn es darum geht noch möglichst selbst bestimmt aber mit Hilfestellung den Alltag im Alter zu bewältigen. Die Zahl der Inanspruchnehmer und damit die Bedeutung dieser Wohnform dürfte in den kommenden Jahren aufgrund des demografischen Wandels weiter steigen. Deutlich wird, dass die Inanspruchnehmer dieser Wohnform vielfach einen besonderen Schutzbedarf aufweisen. Ihr Einzugsalter liegt bei 75 - 79 Jahren und gesundheitliche Einschränkungen vor und zum Einzugszeitpunkt sind dabei auffällig hoch. Dass lässt auf einen erhöhten Hilfe- und Unterstützungsbedarf schließen. Menschen entscheiden sich gerade wegen dieses Bedarfs, der schon besteht oder zu erwarten ist, für diese Wohnform. Aber Vorsicht! Wo Betreutes Wohnen drauf steht, muss noch lange nicht Betreutes Wohnen drin sein. Das ist möglich, weil dem Betreuten Wohnen hierzulande keine gesetzlichen Festlegungen zugrunde liegen. Es existieren dort keine verbindlichen Mindeststandards und Qualitätsgrundsätze. Nicht selten werden Menschen durch den Begriff "Betreutes Wohnen" folgenschwer in die Irre geführt, geben ihre Wohnungen oder Häuser auf, müssen hohe Beträge für Wohnraum und zusätzlich gesondert für Betreuungsangebote zahlen, können aber durch vertragliche Bindungen, ihre Entscheidungen in der Regel nur schwerlich rückgängig machen. Gerade weil sie aufgrund ihrer besonderen gesundheitlichen und sozialen Situation oft nicht als souveräner und gleichberechtigter Vertragspartner auftreten können, brauchen sie die Sicherheit eines rechtlichen Schutzes.

Koalition entscheidet: Lobbyinteressen vor Verbraucherschutz

Die große Koalition hätte nun die besondere Chance gehabt, endlich etwas für den Verbraucherschutz im Betreuten Wohnen zu tun. Ursprünglich sollte der von der Regierung im November 2008 eingebrachte Entwurf für ein Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) die Rechte der Verbraucher bei Verträgen über Wohnraum, in Verbindung mit Betreuung, stärken und schützen. Das Gesetz sollte auch für Angebote des Betreuten Wohnens gelten. Aber auf Druck bspw. des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen sowie einiger Leistungserbringer knickte die Koalition feige ein. Das Betreute Wohnen wurde ersatzlos aus dem im Februar vorgelegten und beschlossenen Kabinettsentwurf gestrichen. Eine klare Ansage der Koalition im Wahljahr: alle Rechte dem freien Markt, keine Rechte für die Verbraucher. Da wirkt auch das fadenscheinige Argument, auf rechtliche Regelungen verzichten zu wollen, um die Selbstbestimmung der Inanspruchnehmer dieser Wohnform zu schützen, geradezu lächerlich, wird hier doch versucht, Selbstbestimmung gegen Verbraucherschutz auszuspielen.

Wir sagen JA zu alternativen Wohnformen und JA zu Verbraucherschutz!

Für uns Grüne ist Selbstbestimmung und Verbraucherschutz ebenso wenig ein Widerspruch wie die Befürwortung alternativer Wohnformen und gesetzliche Rahmenbedingungen, die diesen zugrunde liegen. Wir wollen das Betreute Wohnen so gestalten, dass es gerade durch mehr Verbraucherschutz, Transparenz und mehr Qualität auch in Zukunft eine tatsächliche alternative Lebens- und Wohnform im Alter bleibt. Verbinden Menschen mit dem Betreuten Wohnen Leistungen, die sie dort nicht erhalten -was einem Etikettenschwindel gleichkommt- und fühlen sich betrogen, wird dieses Wohnangebot mittel- und langfristig an Vertrauenswürdigkeit in der Bevölkerung verlieren und dadurch nicht überleben können. In diesem Sinne ist Verbraucherschutz geradezu eine notwendige Grundlage für die Entwicklung und den Ausbau qualitativ abgesicherter, alternativer Wohnformen wie das Betreute Wohnen. Deshalb fordern wir Grüne u. a.:

  • Die Schaffung einer eindeutigen und verbraucherschutzorientierte Rechtsgrundlage zur Ausgestaltung Betreuter Wohnangebote. Dazu zählt auch eine klare Definition Betreuter Wohnformen, die all jene Angebote umfasst, bei denen Wohnraum mit der Erbringung, Vorhaltung und Vermittlung von Pflege- oder anderen Betreuungsleistungen verbunden ist.
  • Die Entwicklung und Etablierung von Mindeststandards und Qualitätskriterien sowie die Förderung der Leistungstransparenz u. a. durch die Errichtung eines Einrichtungs- und Diensteregisters.
  • Aufbau einer flächendeckenden, unabhängigen, wohnortnahen und qualitätsgesicherten Pflege- und Wohnberatung.
  • Die Gewährleistung eines ausgeweiteten und umfassenden Rechtsanspruchs auf eine unabhängige Wohn- und Pflegeberatung ohne eine Inanspruchnahmevoraussetzung.
Eine umfassende schriftliche und mündliche Beratungs- und Informationspflicht durch die Leistungserbringer vor Vertragsschluss, verbunden mit einer Prospektpflicht

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