Elisabeth Scharfenberg, Mitglied im Deutschen Bundestag

Mitglied im Deutschen Bundestag

Bald weniger Geld für Pflege in Heimen

Pressemitteilung vom 27.09.2006.

27.09.2006

von Ulrike Sosalla (Berlin)

Die große Koalition erwägt, die Leistungen für Pflegebedürftige in Heimen zu kürzen, um dafür Menschen, die zu Hause gepflegt werden, besser versorgen zu können. Das geht aus einem Vorschlag der SPD-geführten Länder zur Pflegereform hervor, der der Financial Times Deutschland vorliegt.

Die Neuregelung soll allerdings nur für neue Pflegefälle gelten. Wer bis zu einem bestimmten Stichtag bereits einen Heimplatz hat, erhält weiterhin die bisherigen Sätze. Der Vorschlag ist Teil der Vorarbeiten für die Pflegereform, die im Laufe des Jahres 2007, nach Abschluss der Gesundheitsreform, kommen soll. Derzeit arbeitet das SPD-geführte Bundesgesundheitsministerium mit den SPD-regierten Ländern an Vorlagen für einen Gesetzentwurf, der im Frühsommer 2007 mit der CDU/CSU abgestimmt werden soll.

Die Länder schlagen vor, die Pflegesätze für ambulante und stationäre Betreuung schrittweise anzugleichen. Heute liegen sie weit auseinander: In Pflegestufe eins, den leichteren Fällen, erhält ein Heim 1023 Euro pro Monat, für ambulante Versorgung gibt es 384 Euro pro Monat. Gleich sind die Leistungen mit 1432 Euro monatlich lediglich in der höchsten Pflegestufe drei.

Ziel ist dabei, die Pflege zu Hause attraktiver zu machen, um langfristig den Anstieg der Pflegekosten zu begrenzen. Für die kommenden Jahrzehnte wird wegen der Alterung der deutschen Bevölkerung mit wesentlich mehr Pflegebedürftigen gerechnet. So ist derzeit ein knappes Drittel der vier Millionen Menschen über 80 Jahre auf Pflege angewiesen. Im Jahr 2050 wird diese Altersgruppe nach Prognosen des Statistischen Bundesamts auf zwölf Millionen angewachsen sein. Die Angleichung von ambulanter und stationärer Vergütung soll nach Ansicht der SPD-Länder "möglichst ausgabenneutral erfolgen, so dass in den Pflegestufen eins und zwei die Leistungsbeträge für ambulante Pflege steigen und die für stationäre Pflege sinken", heißt es in dem Papier.

Höhe der Pflegesätze offen Wie hoch die Pflegesätze künftig sein sollen, lässt das Papier allerdings offen. Das könne erst berechnet werden, wenn mit den Eckpunkten zur Finanzierung der Pflegeversicherung ein entsprechendes Finanztableau vorliege. Die vollständige Angleichung der Pflegesätze war von SPD und Union im Koalitionsvertrag offen gelassen worden. Dort ist lediglich die Rede von einer "Nachjustierung der Pflegeleistungen mit dem Ziel der Stärkung des Grundsatzes ,ambulant vor stationär‘".

Eine Angleichung der Leistungen für ambulante und stationäre Pflege fordert auch die Bundestagsfraktion der Grünen. In einem Fraktionsbeschluss, der der FTD vorliegt, schlagen sie vor, die Pflegesätze in Stufe eins auf 600 Euro, in Stufe zwei auf 1000 Euro und in Stufe drei auf 1500 Euro festzusetzen. Eventuelle Kostensteigerungen wollen die Grünen dadurch auffangen, dass sie gesetzliche und private Pflegeversicherung zu einer Bürgerversicherung zusammenfassen. Das soll die Bemessungsgrundlage zur Erhebung der Beiträge verbreitern und so die Einnahmen erhöhen. "Wenn die Mittel zur Finanzierung der qualitativen Reformen in der Pflege, wie wir sie vorschlagen, damit nicht ausreichen, ist für uns die Erhöhung des Beitragssatzes der Pflege-Bürgerversicherung kein Tabu", heißt es in dem Beschluss.

Grüne fordern Strukturreform Das zusätzliche Geld soll nach Ansicht der Grünen vor allem in strukturelle Verbesserungen fließen. "Eine Änderung der Finanzierung ist nur sinnvoll zusammen mit Strukturreformen, um die Basis für die ambulante Versorgung zu verbessern", sagte die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast betonte, die Pläne stünden für einen "grundlegenden Wechsel": "Im Zentrum steht der einzelne Pflegebedürftige mit seinen Einschränkungen und Fähigkeiten. Nur so können die Fehlversorgung, aber auch Über- und Unterversorgung des heutigen Systems geheilt werden."

Zu den Strukturreformen gehört finanzielle Unterstützung alternativer Wohnformen für alte Menschen, eine obligatorische Beratung Pflegebedürftiger und ihrer Familien durch unabhängige so genannte Case-Manager und eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf durch Lebensarbeitszeitkonten, Teilzeitarbeit und flexiblere Tagespflegemöglichkeiten. Mittelfristig wollen die Grünen außerdem einen Kapitalstock aufbauen, um die Spitze der demografischen Entwicklung abzufangen, die rund um das Jahr 2050 mit einer Rekordzahl alter Menschen erwartet wird. Zukunft In wenigen Jahrzehnten kommen die geburtenstarken Jahrgänge der 60er Jahre in das Alter, in dem Pflegebedürftigkeit droht. Für die umlagefinanzierte Pflegeversicherung ist das eine doppelte Herausforderung: Sie muss deutlich mehr Leistungen finanzieren, während es gleichzeitig weniger Junge gibt, die Beiträge zahlen können. Union, FDP und Grüne fordern daher den Aufbau einer Kapitalreserve.

Gegenwart Schon heute hat die Pflegeversicherung ein Finanzproblem. Seit Jahren schreibt sie rote Zahlen, was die Kapitalreserve aufzehrt. Die 2007 geplante Pflegereform muss daher klären, ob und wie weit der Beitragssatz erhöht wird. Außerdem diskutiert die Koalition andere Finanzierungsquellen: etwa einen Prämienanteil oder einen Solidarausgleich zwischen privater und gesetzlicher Pflegeversicherung.

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