Elisabeth Scharfenberg, Mitglied im Deutschen Bundestag

Mitglied im Deutschen Bundestag

Gesprächsrunde in Hof: Demographische Entwicklung als Chance begreifen

Pressemitteilung vom 10.07.2006.

10.07.2006

Neue Lebensmodelle für alte Menschen Alternative Hausgemeinschaft mit Alltagsbegleiter

VON GABY SIMON

HOF - Das Szenario ist hinreichend bekannt. Schlagzeilen wie "Deutschland stirbt aus" bringen auf den Punkt, was Demographen seit Jahren anmahnen: Die bundesdeutsche Bevölkerung wird immer älter. Und sie schrumpft. Diese Entwicklung als Chance zu begreifen, war das Resümee einer Gesprächsrunde, zu der Grünen-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Scharfenberg nach Hof eingeladen hatte.

"Leben im Alter - Oberfranken muss sich dem demographischen Wandel stellen" - schon der Titel der Veranstaltung ließ ahnen, dass das keine ausweglose Situation ist, von der Oberfranken aller Voraussicht nach stärker betroffen sein wird als andere Gegenden in Bayern. "Die Region weist bereits heute einen vergleichsweise hohen Altersdurchschnitt auf", sagte Elisabeth Scharfenberg. Und: Die Zahl der Pflegefälle liege in fast allen oberfränkischen Städten weit über dem bayerischen Durchschnitt.

In der Politik wie bei Gemeinden und Kommunen gehe es jetzt darum, adäquat auf die veränderte Altersstruktur zu reagieren. Wie wollen ältere Menschen leben? Welche Wohnformen können wir ihnen bieten? Welche Bedürfnisse haben sie? Dazu Scharfenberg: "Es muss sowohl möglich sein, in der behüteten Atmosphäre eines Altenheimes seinen Lebensabend zu verbringen, als auch selbstbestimmt in alternativen Wohn- und Lebensformen."

———————————— Wie zu Hause ————————————

Und die gibt es bereits, auch in Oberfranken. Ernst Engelhardt, Leiter des Seniorenhauses des Diakonischen Werkes in Hof, stellte eine solche Wohnalternative vor: "Leben wie zu Hause", ist der Name für ein Projekt, das gerade in Form eines Seniorenhauses in Konradsreuth im Landkreis Hof umgesetzt wird. Vorbilder dafür stehen bereits in Graz und Wien. Die Senioren leben dabei in selbstversorgenden Hausgemeinschaften. Ihnen zur Seite stehen "Alltagsbegleiter", speziell geschultes Pflegepersonal, das den Alltag der Senioren strukturiert.

Die Philosophie, die dahinter steht, ist nicht nur dem Wohlergehen der dort lebenden Menschen verschrieben, sie berücksichtigt im Baukonzept auch Ökonomie und Ökologie. Und sie ist "gemeindeorientiert", was nichts anderes bedeutet, als dass in dem Seniorenwohnhaus ausschließlich alte Menschen aus der jeweiligen Gemeinde untergebracht sind, in der es steht. Und es wird auch über Bürgerdarlehen mit Hilfe der Einwohner finanziert. Engelhardt:"Dies alles schafft eine Atmosphäre, die mit einem Leben wie zu Hause gleichzusetzen ist." Wohngemeinschaften wie diese kommen dem Bild des Rentners von morgen oft viel näher als bisher übliche Einrichtungen. Das machte Karl Bayer deutlich.

Selbst seit zwei Jahren Rentner und nun Seniorenbeauftragter im Landkreis Hof weiß er um die Bedürfnisse von älteren Menschen. Er forderte auf, über das Alter neu nachzudenken und neue Konzepte zu schaffen, zum Beispiel bei der Stadtentwicklung oder den Freizeitmöglichkeiten für Senioren. Auch das Erfahrungspotenzial der Älteren müsse besser genutzt werden: Im gemeinsamen Miteinander von Jung und Alt sind die Probleme der Gesellschaft viel leichter zu lösen.

Dass die Altenpolitik fast immer nur ausschließlich unter dem Aspekt der Pflege gesehen wird, prangerte Theresa Schopper, Landesvorsitzende der Bündnisgrünen, an: "Das Alter umfasst heute fast den längsten Zeitraum in einem Leben, es kann unter Umständen bis vier Jahrzehnte dauern." Senioren wollten nicht abserviert werden, nur weil sie das sechzigste Lebensjahr erreicht haben. Sie seien fit, verfügten über einen großen Erfahrungsschatz und suchten nach neuen Herausforderungen.

"Das Ziel der Politik muss es deshalb sein, ältere Menschen verstärkt in das öffentliche Leben einzubeziehen und Beteiligungsformen hierfür zu entwickeln", brachte es Elisabeth Scharfenberg auf den Punkt.

Bürgerschaftliches Engagement, gemeinwesenorientierte Arbeit und soziale Netze sah sie als möglichen Lösungsweg. Auch in der Region angesiedelte "Gemeinschaftsläden", eine "fahrende Verwaltung", Bibliotheksbusse, die nicht mehr mobilen älteren Menschen Zugang zur Weiterbildung ermöglichen, seien Möglichkeiten, Senioren stärker in die Gesellschaft einzubinden.

———————————— Konsumenten ————————————

Nicht vergessen werden dürfte auch diese Tatsache: Alte Menschen sind die Konsumenten der Zukunft. Sie begründen eine Nachfrage an neuen Waren und Dienstleistungen. So begünstigen sie zum Beispiel ein Wachstum derGesundheits- und Wellnessbranche.

Regionen, die mit dem demographischen Wandel nicht auf die Verliererstraße kommen wollen, müssten jetzt anfangen, sich auf die veränderten Bedürfnisse und Wünsche einzustellen. Scharfenberg schloss:

"Erkennen wir die Chance anstatt in ein Lamento auszubrechen." Das alternative Wohnkonzept "Leben wie zu Hause" ist eine Möglichkeit, sich den Herausforderungen des demographischen Wandels in Oberfranken zu stellen.

Ernst Engelhardt vom Diakonischen Werk (rechts) stellte das Modell in einer Gesprächsrunde (von links) der Grünen-Bundestagsabgeordneten Elisabeth Scharfenberg, der Landesvorsitzenden der Bündnisgrünen, Theresa Schopper, und Seniorenbeauftragtem Karl Bayer vor. FOTO: SIMON

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